Chronische metabolische Azidose

Kann ich eine cmA am pH-Wert meines Urins feststellen?

Mit dem Säure-Basen-Gleichgewicht in unserem Körper ist es wie mit unserer Waschmaschine: Solange alles fließt und die Wäsche sauber rauskommt, denken wir nicht viel drüber nach. Es gibt aber auch einen entscheidenden Unterschied: Wenn die Wäsche dreckig bleibt, ist klar, dass die Maschine ein Problem hat. Beim unserem Säure-Basen-Haushalt ist das leider nicht so offensichtlich: Der pH-Wert des Urins ist kein zuverlässiges Zeichen für eine chronische metabolische Azidose (cmA). Das liegt daran, dass der pH-Wert des Urins sehr stark davon beeinflusst wird, was wir zuletzt gegessen und wie viel wir getrunken haben. Zudem ist der pH-Wert des Urins bei Frauen generell höher als bei Männern.

Unser Säure-Basen-Haushalt kann nur durch eine Untersuchung des Blutes gemessen werden, und das funktioniert nur mit einer ärztlichen Untersuchung, der Blutgasanalyse. Gas im Blut? Das klingt irgendwie nicht gesund, aber tatsächlich würden einige Substanzen in unserem Blut ausgasen, wenn das Blut nicht unter Druck stehen würde, der von unserem Herzen erzeugt wird. Und es gibt auch einen Ort, wo die Substanzen tatsächlich wieder in den Gaszustand zurückkehren: In der Lunge. Dort atmen wir Kohlendioxid (CO2) ab, das zuvor im Blut als Kohlensäure transportiert wurde. Kohlensäure ist nämlich nichts anderes als Kohlendioxid in Wasser.

Schon sind wir wieder beim Säure-Basen-Haushalt: Das abatmen von Kohlendioxid ist ein Weg, über den überschüssige Säure aus dem Körper entfernt wird. Der andere Weg, über den aber nur eine relativ kleine Menge überschüssiger Säure ausgeschieden wir, führt über Bicarbonat im Blut, dessen saure Bestandteile, die Protonen, in der Niere z.B. in Ammonium eingebaut und dann über den Urin ausgeschieden werden. Was also am Ende den Urin „sauer“ macht, ist nur ein relativ kleiner Anteil an unserem Säure-Basen-Haushalt. Dies ist ein weiterer Grund, warum der pH des Urins nur wenig über unseren Säure-Basen-Haushalt aussagt.

Die zwei oben genannten Wege, über die unser Körper überschüssige Säure entsorgt, sind der Grund dafür, dass es keinen einzelnen Messwert gibt, der zeigt, dass unser Säure-Basen-Haushalt nicht mehr in Balance ist. Die Blutgasanalyse misst deshalb mehrere Werte, so dass die Ärztin oder der Arzt daran feststellen können, wo genau das Problem liegt. Grundsätzlich ist es so, dass eine ernsthafte Entgleisung des Säure-Basen-Haushalts hauptsächlich bei Menschen vorkommt, deren Niere oder Lunge nicht mehr richtig funktionieren.

Wer also vermutet, dass etwas mit seinem Säure-Basen-Haushalt nicht stimmt, sollte seine Hausärztin oder seinen Hausarzt fragen, ob eine Blutgasanalyse sinnvoll wäre.


Quelle: Worcester EM, Bergsland KJ, Gillen DL, Coe FL. Mechanism for higher urine pH in normal women compared with men. Am J Physiol Renal Physiol. 2018 Apr 1;314(4):F623-F629